Vorhang auf!
50 Jahre Theaterspielkreis Pfaffenhofen

Das Stück "Nora oder Ein Puppenheim" von Henrik Ibsen war im Mai 2019 als Frühjahrsproduktion des Theaterspielkreises zu sehen. | Foto: Theaterspielkreis Pfaffenhofen
14Bilder
  • Das Stück "Nora oder Ein Puppenheim" von Henrik Ibsen war im Mai 2019 als Frühjahrsproduktion des Theaterspielkreises zu sehen.
  • Foto: Theaterspielkreis Pfaffenhofen
  • hochgeladen von PAF und DU Redaktion

„Ich mochte schon immer Theater, aber die Menschen in diesem Verein haben mich begeistert. Es macht jedes Mal wieder Freude, mit ihnen dieses ganz besondere Gefühl zu erleben, das nur bei der Erarbeitung und der Aufführung von Theaterstücken entsteht“, antwortet Steffen Wagner, Vorsitzender des Theaterspielkreises (TSK) auf die Frage, warum er Mitglied ist. Seit bereits fast 30 Jahren ist er dabei und möchte Interessierten die Möglichkeit geben sich auszuprobieren.

Die Liebe zum Theater hört man bei allen befragten Mitgliedern heraus, und dass sie mit Herzblut bei der Sache sind, sieht man bei jeder einzelnen Aufführung. Seit 50 Jahren gehört der Theaterspielkreis Pfaffenhofen zum kulturellen Leben der Stadt. Das PAFundDU-Bürgermagazin nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, den Verein genauer vorzustellen.

„Wer möchte bei Märchen mitspielen?“
Auf diese Frage, gestellt in einem Aufruf im Ilmgauer-Kurier 1973, bekam die Bürgerin Hannelore Altenburg unerwarteterweise eine beachtliche Anzahl von Rückmeldungen. Sie wandte sich an die Lokalzeitung, nachdem ein Gastspiel einer auswärtigen Märchenbühne im Frühjahr des Jahres von einem Leser heftig kritisiert wurde. Dieser bemängelte in einem empörten Leserbrief „nicht nur die Qualität der Sprache, sondern auch die dilettantische Abwandlung eines so bekannten Märchens“.
Nachdem sich so viele Interessierte auf den Aufruf von Altenburg gemeldet hatten, wurde der Theaterspielkreis am 24. Mai 1973 mit 27 Gründungsmitgliedern aus der Taufe gehoben. Das Ziel war es, noch im selben Jahr ein beliebtes Märchen der Öffentlichkeit vorstellen zu können. Und so wurde im Advent als erstes Stück das Märchen „Frau Holle“ aufgeführt.

Herbst ist Märchenzeit
Aus diesem ersten Märchen und dem Anspruch, gutes Kindertheater in Pfaffenhofen zu machen, ist diese Tradition, eine geradezu freiwillig auferlegte Verpflichtung geworden: Denn seither gab es beinahe jeden Herbst eine Märchenaufführung des TSK, und niemals musste man sich bei der Kinderproduktion Sorgen um die Besucherzahlen machen: die Stücke waren meist schnell und komplett ausverkauft. Märchen geht einfach immer! So auch heuer im Jubiläumsjahr: Ab dem 4. November wird im Haus der Begegnung eine Neuauflage von „Frau Holle“ unter Regie von Kathi Veit und Steffi Ott aufgeführt.

Aber der Verein hat nicht nur Märchen auf Lager. Recht schnell entwickelte sich ein Rhythmus, sodass nach dem Kinderstück im Herbst die Planungen für ein Erwachsenenstück im Frühjahr begannen. Üblicherweise locken diese Vorstellungen bis zu 1.200 Besucher an und finden meist bis Ende April statt.

Wer in die Liste der bereits inszenierten Stücke schaut, sieht, welche Vielfalt an Volksstücken, Klassikern, absurdem Theater, Boulevardtheater und Dichterabenden der Verein auf die Beine gestellt hat. Die Highlights zu benennen, fällt den Verantwortlichen schwer. An die großen Freilichtaufführungen „Der fremde Kaiser“, „Birnbaum und Hollerstauden“, „Der Zwischenfall“ und „Der Brandner Kaspar schaut ins Paradies“ erinnern sich sicherlich viele. Aber auch Stücke wie „Der zerbrochene Krug“, „Der Zauberer von Oz“, „Nora“, „In 80 Tagen um die Welt“, „Ein seltsames Paar“, „Fontane Abend“, „Elektra“ oder „Oh wie schön ist Panama“ zeigen, wie breit das Spektrum des Vereins ist. Eine vollständige Liste vergangener Stücke ist auf theaterspielkreis.de/archiv zu finden.

Einige aktive Mitglieder sind bei Film- und TV-Produktionen, Gastauftritten bei anderen bayerischen Bühnen und bei Auftragsregiearbeiten für Schulen und Tanzgruppen im Einsatz. Und andere haben das Hobby zum Beruf gemacht und sind jetzt als Schauspieler, Regieassistenz an der Oper oder Regisseur tätig. Der TSK erhielt 1998 den Kulturförderpreis der Stadt Pfaffenhofen, der seit 1993 verliehen wird.

Jugendarbeit wird groß geschrieben
Der Nachwuchs liegt dem Verein besonders am Herzen. So ist die Kinder- und Jugendarbeit und der bildende Charakter der Vereinsarbeit in der Satzung festgeschrieben. Vor Corona gab es bereits mehrere Jugendgruppen, aus denen einige Mitglieder immer noch mit Hingabe dabei sind. Ab nächstem Jahr soll wieder eine richtige Jugendgruppe ins Leben gerufen werden.

Die praktische Arbeit in diesen Gruppen bietet großartige Entfaltungsmöglichkeiten für die Heranwachsenden. Es geht darum, zu beobachten, auszuprobieren und nachzuahmen. Szenen werden durchgespielt, man improvisiert und stellt (manchmal auch vor Zuschauern) etwas oder jemanden dar. Dabei erlernt man den gezielten Einsatz von Gestik und Mimik. Die Gelegenheit, aus der eigenen Haut zu schlüpfen, andere Rollen, anzunehmen und diese dann auf der Bühne zu verkörpern, ist oft gerade für schüchterne Personen eine Bereicherung.

„Man kann Theaterspielen nicht mit Wörtern beschreiben, man muss es fühlen, um es zu verstehen. Genau das gibt mir der Theaterspielkreis“, so beschreibt Johanna Lehmeyer, 10 Jahre alt, das Theaterspielen.

Wenn Situationen erarbeitet und gestaltet werden, können die Teilnehmenden zudem kreativ werden. Alle arbeiten zusammen, denn schnell wird klar: Allein kann man kein Projekt auf die Bretter stellen. Ein Gemeinschaftsgeist entwickelt sich, Ziele werden anvisiert und letztendlich sieht man das Ergebnis.

Pädagogische Ziele
Während der Proben werden die Heranwachsenden immer wieder gezwungen, sich in andere Menschen hineinzudenken und zu überlegen, welche Motive die Figuren bewegen. Dabei werden Verhaltensmuster geprüft, durchdacht, erkannt, Alternativen gesucht und entwickelt. Auf spielerische Weise lernen die Kinder Toleranz und erkennen, wie relativ Aussagen und Perspektiven sein können. Das gemeinsame Ziel und die Freude am Spielen schaffen ein dynamisches Miteinander. Die Rückmeldungen der Gruppenleitung und Mitspieler nach einzelnen Szenen helfen Kritik anzunehmen und selbst konstruktiv zu formulieren. Jeder kann vom Anderen profitieren, jeder stellt dem anderen neue Herausforderungen, alle fordern und fördern einander und alle lernen.

„Theater ist Spiel im wahren Leben. Theater ist tatsächlich etwas, um aus seiner eigenen Erfahrungswelt einen neuen Charakter zum Leben zu erwecken. Deshalb setzen wir uns auch zum Ziel, Kinder und Jugendliche dafür zu begeistern. Es kann ein Bindeglied zwischen Phantasie und Realität für sie sein“, so TSK-Mitglied Tini Herion.

Jung trifft Alt
Der Übergang vom Kinder- und Jugendtheater zum Erwachsenenschauspiel geschieht nahtlos.Das liegt daran, dass in vielen Erwachsenenstücken auch junge Schauspieler agieren. So kommt es zu einem kreativen und beinahe selbstverständlichen Miteinander von Jung und Alt, bei dem beide Seiten erkennen, was sie voneinander lernen können: Erfahrung, Gelassenheit und Lebensweisheit auf der einen Seite, Neugierde und Innovationsfreudigkeit auf der anderen.

Beides zusammen hat in 50 Jahren dazu geführt, dass im Theaterspielkreis Altersunterschiede nicht wichtig sind. So ist das jüngste Mitglied gerade mal zwei Jahre, das älteste dagegen 95 Jahre alt. Es ist nicht unüblich, dass auch innerhalb einer Familie mehrere Generationen mitspielen, manche solcher „Schauspielerfamilien“ stehen in zweiter oder sogar dritter Generation auf den Brettern.

Die Spielstätte
Seit mehr als 40 Jahren hat der TSK seine Heimat im Haus der Begegnung. Nachdem das Gebäude umgebaut und renoviert wurde, feierte der Verein die Eröffnung des Theatersaals 1979 mit der Aufführung des Stückes „Der Zwischenfall“ von Joseph Maria Lutz. Auch wenn der Saal und die Bühne nur begrenzten Raum bieten, ist es erstaunlich, mit welcher technischen Raffinesse die Bühnenbilder vom vereinsinternen Bühnenbau installiert wurden, um den Zuschauern die Illusion von beispielsweise langen Straßen, Gärten oder Plätzen zu vermitteln.

Vereinsleben neben der Bühne
Natürlich geht es beim Theaterspielkreis ums Theaterspielen. Es können aber nicht alle Mitglieder bei jeder Produktion auf der Bühne stehen. Langweilig wird es trotzdem nicht. Es gibt viel zu tun – während den Produktionszeiten und auch außerhalb. Je nach Interesse und Fähigkeit können sich die Vereinsmitglieder beim Bühnenbau, der Technik, den Kostümen und der Organisation einbringen. Außerdem wollen Requisiten geordnet und katalogisiert, Kostüme sortiert und ausgebessert, ausgeliehene Gegenstände zurückgebracht oder wieder eingeholt und das Theaterkino organisiert werden.

„Ich bin nach einem Aufruf meines damaligen Lateinlehrers fürs Freilicht beim TSK hängengeblieben, und zwar wegen der Vielfalt: von alt bis jung, verschiedenste Aufgaben und Themengebiete: vom Schauspiel, Technik, Bühnenbau bis zum Kassier kann sich jeder entfalten und mitwirken“, so Florian Medgyesi.

Und natürlich kommt das allgemeine Miteinander nicht zur kurz: egal ob Radfahren, Theaterfahrt, Weißwurstessen, Fortbildung oder Skiausflug, die TSK-Familie unternimmt gerne etwas gemeinsam. Und wenn das offizielle Theaterjahr endet, darf eine Weihnachtsfeier aller Aktiven und Fördermitglieder in der Holledauer Hütte des Alpenvereins nicht fehlen. Die Regisseure der vergangenen Spielzeit werden geehrt, verstorbener Mitglieder gedacht und der „Goldene Vorhang“, der „Oscar“ für besonderen persönlichen Einsatz eines Mitgliedes wird verliehen.

Das Jubiläumsjahr 2023
Das Jubiläumsjahr startete am Gründungstag, dem 24. Mai mit einem Festakt im Rathaus. Neben Festreden wurden fünf Personen zu Ehrenmitgliedern ernannt: die Mitglieder Gisa und Martin Wolf, Evi Binegger und Helmut Muthig sowie der langjährige Förderer Max Hechinger.

Während der Ausstellung „Fund(us)stücke“ in der Alten Mälzerei des Kramerbräus von 27. Mai bis 9. Juli konnte man die Kostüme und Requisiten der letzten 50 Jahre bewundern. Geordnet in drei Bereiche – Mundart, dritte Produktion (Boulevardtheater, Absurdes Theater) und Märchen – waren außerdem eine Vielzahl an Fotos der Produktionen ausgestellt.

Wer die Ausstellung verpasst hat, kann sich auf den Herbst freuen, denn dann ist noch einmal einiges geboten: Im September veranstaltet der TSK einen Workshop für Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren zum Thema „Bühne und Requisiten“. Am Samstag, 16. und Sonntag, 17. September von 10 bis 15 Uhr erfahren die Jugendlichen, was alles hinter den Kulissen passiert und wie aus einer leeren Leinwand eine Kulisse wird. Informationen gibt es unter: theaterspielkreis.de

Und ab dem 4. November steht der TSK dann wieder auf der Bühne. Es ist traditionell Märchenzeit und so gibt es im Haus der Begegnung – wie bereits vor 50 Jahren – „Frau Holle“ zu sehen. Mit einem vereinsinternen Kostümball beendet der TSK die Jubiläumsfeierlichkeiten.

Theaterliebhaber können sich im Frühjahr 2024 wieder auf ein Erwachsenenstück freuen. Und wer Lust hat mitzuspielen und sich einbringen will, dem stehen die Türen des Theaterspielkreises jederzeit weit offen.

Kontaktdetails:
Theaterspielkreis Pfaffenhofen
theaterspielkreis.de
Email: info@theaterspielkreis.de
Steffen Wagner: 0171 5372855
PAF und DU-Redaktion

Wissenswertes:

  • 274 Mitglieder (116 männlich, 142 weiblich)
  •  Jüngstes Mitglied 2 Jahre, ältestes Mitglied 95 Jahre
  • Durchschnittsalter 45 Jahre
  • Ca. 125 Stücke hat der Verein inszeniert
  • Es gab mehr als 1.000 Vorstellungen mit weit über 100.000 Besuchern
Autor:

PAF und DU Redaktion aus Pfaffenhofen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

46 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.