Auftaktveranstaltung RESTLICHT v. Werner Mally - Eine temporäre Gedenkskulptur

Auftaktveranstaltung
RESTLICHT v. Werner Mally - Eine temporäre Gedenkskulptur
05.05. bis 16.06.2013 - Erinnerungskultur heute - 1938-1945
75 Jahre Reichspogromnacht (09.11.1938) und 80 Jahre Machtergreifung durch die Nationalsozialisten (in Bayern am 09.03.1933)

Rede vom 05. Mai 2013

Rednerin: Claudia Jung, MdL - FREIE WÄHLER

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrter Herr Mally,
sehr geehrte Gäste, Besucher,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Geisenfelder!

Der Erinnerungskultur wird in Deutschland eine außerordentliche Rolle zugemessen, was nach dem Erleben zweier Weltkriege, dem Nationalsozialismus und der deutschen Teilung nicht verwundert. Für einige mag das gelegentlich als übertrieben wahrgenommen werden.

ABER, meine Damen und Herren, Erinnern gehört geradezu zur Gründungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Und wir haben lange genug gebraucht, das Erinnern aus den Köpfen der Einzelnen in den Öffentlichen Raum zu bringen.

Denn Deutschland tat sich schwer daran, frühzeitig mit Denkmälern und gut sichtbaren Gedenktafeln an den Nationalsozialismus zu erinnern. Das „Dritte Reich“ wurde lange weitgehend totgeschwiegen.

Erst 60 Jahre nach Hitlers Ende beschloss beispielsweise die Stadt München, ein Dokumentationszentrum einzurichten. Am Ort der ehemaligen NSDAP-Zentrale wird es wohl 2013/2014 fertig gestellt sein, also 75 Jahre nach der Reichspogromnacht!

An dieser Stelle möchte ich gerne Roman Herzog zitieren, der das Thema Erinnerungskultur in seiner Proklamation vom 3. Januar 1996 auf den Punkt gebracht hat:

"Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken."

Mit den Menschen vergehen und verblassen aber die Erinnerungen an das Jahr 1933 und die Machtübernahme der Nazis, an den zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Viele, die das NS-Regime als Kinder oder Jugendliche erlebt haben, gehen inzwischen auf die 90 zu oder sind verstorben.

Manche konnten ihre schrecklichen Kriegserlebnisse der nachfolgenden Generation überhaupt nicht schildern, weil es an Worten fehlte. Andere wollten sie gar nicht schildern, sondern einfach vergessen oder verschweigen.

Es ist übrigens ein deutsches Phänomen, dass die meisten unserer Familiengeschichten in dieser Zeit eine Lücke aufweisen.

"Erinnerungen aus erster Hand" aber sind der beste Geschichtsunterricht und die mächtigste Waffe gegen Rassismus, Nationalsozialismus und totalitäre Ideologien, meine Damen und Herren. Was aber sollen wir tun, wenn wir keine Zeitzeugen mehr haben?

Dass die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit nach wie vor eine wichtige, ja ganz und gar unverzichtbare kulturelle Aufgabe ist, liegt auf der Hand. Das beweist uns Leider-Gottes derzeit der NSU-Prozess. Aber auch die geplanten Kundgebungen und Aufmärsche von Rechtsradikalen.

Bei uns fand letztes Wochenende die Aktion „Pfaffenhofen ist bunt und kein Ort für braune Parolen“ statt. Gemeinsam für Demokratie und Toleranz standen Vertreter aller Parteien Schulter an Schulter auf dem Stadtplatz um ein Zeichen gegen Rechtsradikalismus und Rassismus zu setzen.

Es ist mir absolut unverständlich, wie und warum dieses braune, totalitäre Gedankengut so viele fanatische Anhänger gewinnen kann.

Wie aber soll man heute in der Bildenden Kunst, in der Architektur, Literatur oder sonstigen Kunstformen mit dem Holocaust umgehen, ohne sich der Klischees zu bedienen? Wie soll man sich Erinnern und gleichzeitig Gedenken?

Werner Mally versucht es mit Licht. Er nennt es RESTLICHT und meint damit das Licht, das aus der Vergangenheit in die Gegenwart leuchtet.

Das Subtile und damit Bedeutungsvollste dieser Skulptur ist für mich persönlich nicht die Form. Die Form eines Baldachins, also einer provisorischen Behausung, wie sie für die Geschichte des Judentums typisch ist.

Es sind die Jahreszahlen, die präzise in die Stahlplatte gestanzt wurden – und zwar nicht willkürlich oder von reiner Ästhetik geleitet. Es sind die Jahreszahlen 1938 bis 1945, zweifelsohne die dunkelsten Jahre für die Juden in Europa. Die Jahreszahlen wirken wie ein Abbild der tätowierten Häftlingsnummern.

Wer sich mit diesem Wissen einmal unter das Mahnmal aus Stahl stellt, der kann sich durch die „Tätowierung“ aus Licht und Schatten sehr gut in die vielen kleinen Nadelstiche auf der Haut einfühlen.

Wie wir alle wissen, hat das Tätowieren der jüdischen Gefangenen in den Konzentrationslagern sie ganz besonders in ihrem religiösen und menschlichen Selbstverständnis verletzt. Deshalb macht die Tätowierung mit Sonnenlicht diesen Ort so besonders.

Die temporäre Gedenk-Skulptur von Werner Mally bietet jedem von uns die Chance, sich hier, an Ort und Stelle, Gedanken zu machen über seinen eigenen emotionalen Bezug und Zugang zur Geschichte und zur Gegenwart.

Vielleicht mögen Sie sich in den nächsten sechs Wochen hin und wieder die Zeit nehmen, sich hier am Stadtplatz mit Freunden, Bekannten oder Nachbarn zu treffen und gemeinsam unter der temporären Gedenk-Skulptur von Werner Mally innezuhalten und zu gedenken!

Lassen Sie uns dieses Mahnmal sechs Wochen nutzen, bevor RESTLICHT am Siegestor in München und danach in Berlin zu sehen sein wird! Sechs Wochen soll es das Aufstehen gegen rechts symbolisieren. Geisenfeld ist genauso wenig ein Ort für rechte Parolen als Pfaffenhofen oder sonst eine Stadt in unserem Landkreis.

Ich sage Ihnen heute nicht nur vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie alle hierher gekommen sind, um gemeinsam ein Zeichen zu setzen gegen das kollektive Vergessen!

Autor:

FREIE WÄHLER Kreisverband Pfaffenhofen aus Pfaffenhofen

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